Kurzfilm – The Silver Key

Ein Kurzfilm über die gleichnamige Kurzgeschichte von H.P. Lovecraft:

Having regained the key to the gate of dreams, a lonely Randolph Carter(Conor Timmis) leaves behind the prosiness of the waking world forever and crosses into the realm of dreams. Based on the classic H.P. Lovecraft story „The Silver Key“. Directed and produced by Conor Timmis and Gary Fierro.

The Last Lovecraft

The relic must be delivered to a descendant of H.P. Lovecraft.
– The Last Lovecraft: The Relic of Cthulhu

Da hat der Weltenschieber uns einen schönen Linktipp zukommen lassen. Vielen Dank dafür! :-]

Was soll ich noch großartig über Last Lovecraft erzählen, schaut mal beim Weltenschieber rein, er hat eine vorzügliche Zusammenfassung geschrieben und viele Links untergebracht. Hier ist auf alle Fälle der Trailer und der Pressetext des Films:

Jeff, a down on his luck office worker finds out he is the last living relative of horror novelist H.P. Lovecraft. What he doesn’t know is that Lovecraft’s monsters are real and will soon threaten the very existence of mankind. Jeff and his best friend Charlie are forced to embark on a perilous adventure and they enlist the help of high school acquaintance, Paul, a self proclaimed Lovecraft specialist. Together the three unlikely heroes must protect an alien relic and prevent the release of an acient evil, known as Cthulhu.

Sieht nach einem netten Film für alle Lovecraft-Fans da draußen aus. Vielleicht eine Art Gamers für Kultisten? ;-]

Jagd nach lovecraftschen Werken 2009

ALLEN LESERINNEN, LESERN, SCHREIBERINNEN, SCHREIBERN UND TEAMMITGLIEDERN von CTHULHU.DE wünsche ich ein FROHES, GESUNDES, NEUES JAHR. Der 01.01.2010 erscheint mir ein guter Zeitpunkt das literarisch-lovecraftsche Jahr 2009 noch einmal kurz zu rekapitulieren und das ein oder andere Werk vorzustellen bzw. wieder ins Gedächtnis zu rufen.

Erschienen sind…

„Winds of Change“ von Jason Brannon (Basilisk Verlag). Und das gleich zu Beginn des Jahres. Drei Geschichten bilden den Inhalt des 177 Seiten starken Bandes. Im Horror-Forum.net wurde der Titel von vielen Mitglieder kritisch, im großen und ganzen jedoch positiv besprochen. In der „Lovecraft/Cthulhu-Liste“ ist das Buch noch unter „AUF VERDACHT“ vermerkt, da mir bisher die nötige Zeit zu einer Auseinandersetzung mit dem Werk gefehlt hat. Natürlich würde ich mich über Meinungen, ob „Winds of Change“ zum lovecraftschen Tenor gezählt werden kann, freuen; die L/C-Liste werde ich dann auch dem entsprechen aktualisieren.

„Dagons Erben“ von Tobias Bachmann (Basilisk Verlag). Im März erschien der zweite Band der „Edition Arkham“. Bei einer einmaligen Auflage von 99 Stücke war das 125 Seiten starke Buch schon nach kurzer Zeit ausverkauft . Überraschenderweise gab es ein paar Monate später die Nachricht, dass noch einige, wenige, unnummerierte Exemplare zur Verfügung stehen würden. So war es dann wohl noch einer Handvoll Lesern vergönnt diesen – eigentlich schon vergriffenen – Titel zu ergattern.

„Der schwarze See“ von Barbara Büchner (Sieben Verlag). Im April erschien – nach dem Infotext auf seinen Backcover zu schließen – ein All-Age-Phantastikroman in lovecraftscher Tradition. In den letzten Jahren hat die Zahl sogenannter All-Age Literatur sprunghaft zugenommen. Viele Phantastik-Leser sind dazu übergegangen kritisch das ihnen vorliegenden Buch mit eben jener Bezeichnung zu prüfen, da damit oftmals die übliche Mischung aus Vampir-Werwolf-Romantik usw. verbunden zu sein scheint. Von jüngeren Schmökerfreunden wird das Genre dafür sehr enthusiastisch aufgenommen, was nicht heißen soll, diese Leserschaft hätten einen minderen Geschmack. „Der schwarze See“ habe ich ohne Vorurteil und Erwartungen gelesen. Zwar begegnet der geneigte Leser hier nicht dem üblichen Figuren des All-Age Genre, der Ablauf ist jedoch fast derselbe. Ein Gruppe Jugendlicher wird mit dem Übernatürlichen (in diesem Fall Außerirdische die die Welt unterjochen wollen) konfrontiert. Zwischen den Hauptprotagonisten entsteht im Laufe der Handlung ein engere Beziehung und das Ende hat, nach einigen Widrigkeiten, einen positiven Ausgang. Mein persönlicher Eindruck nach der Lektüre: Die Autorin entwickelt ein durchaus glaubhafte Handlung, lässt ihre Protagonisten jedoch eher hölzern und klischeehaft wirken. Die erwähnte „lovecraftsche Tradition“ bekommt man leider nicht zu spüren; dazu fehlt es der Story an nötiger Intensität des Unheimlich-Übernatürlichen. „Der schwarze See“ wurde in der L/C-Liste unter „IN LOVECRAFTSCHER TRADITION“ vermerkt.

„Cthulhu“ von H.P. Lovecraft (Festa Verlag). Der April brachte uns den fünften Band der neu übersetzten Gesammelten Werke Lovecrafts. Die Festa-Ausgaben stellen ein schöne und preiswerte Alternative zu den Bänden der Edition Phantasia dar, die leider schon seit einiger Zeit (bis auf Band 3 und 5) als vergriffen gelten.

„Volk der Finsternis“ von Robert E. Howard (Festa Verlag). Schon unlängst hatte der Festa Verlag eine Kehrtwende, Back to the Roots, angekündigt. „Volk der Finsternis“( im Oktober erschienen) und alle weiteren unheimlichen Geschichten von Howard, gesammelt in voraussichtlich sechs Bänden, dürfte dafür ein guter Anfang sein; nicht zu vergessen die angekündigten Bände von C.A. Smith, auf die viele Leser ebenfalls gespannt warten dürften.

„Metamorphosen – Auf Lovecrafts Spuren“ (Verlag Torsten Low) ist ein Anthologie der Edition Geschichtenweber, die von Manuel Bianchi, Sabrina Eberl und Nina Horvath herausgegeben wurde. Erscheinungstermin war ebenfalls Oktober. Inhaltlich sollte es um die unheimlichen Veränderungen ganz normaler Menschen gehen. Schon einige solch gearteter Geschichten wurden von den verschiedensten Autoren geschrieben und auch Lovecraft war diese Thematik nicht unbekannt; dafür dürfte „Schatten über Innsmouth“ als Paradebeispiel dienen.

Auf der Suche nach dem Wahnsinn

„Die Weiden“ von Algernon Blackwood habe ich vor einigen Jahren, gerade in der Zeit meiner literarisch Orientieren, gelesen. Es muss eine Anthologie gewesen sein, vielleicht aber auch eine der Sammlungen Blackwoods; die Erinnerung daran ist mir nicht mehr gegenwärtig genug. Damals habe ich dieser Geschichte nicht viel Beachtung geschenkt; ebenso dem Autor, der ja eigentlich zu den Koryphäen der englischen Gespenster- und Grußelgeschichte zählt. Es musste dauern bis mir dieser anerkannte Schriftsteller wieder vor die Nase kam und dann geschah es in Form eben jener Geschichte, die in einer schönen Ausgabe und mit einem Reisebericht Blackwood’s versehen im Verlag Heinrich & Hahn schon 2007 erschienen ist. Der Verlag hat seine Tätigkeit zwar Ende 2008 eingestellt, der Titel ist jedoch bis auf weiteres lieferbar. Die Geschichte nun habe ich mit, zugegebenermaßen, wenig Enthusiasmus begonnen, musste aber angenehm-überrascht feststellen, dass mir hier, eigentlich schon zum zweiten mal, ein phantastisches Kleinod in die Hände gefallen und mein Geist wach genug war dies auch zu erkennen. Der von Lovecraft so oft angeführte „Kosmische Schrecken“ wird deutlich spürbar; das schreckliche Gefühle der Protagonisten, Mächten außerhalb jeder Vorstellungskraft ausgeliefert zu sein, ergreift unweigerlich auch den geneigten Leser. Die Lektüre von „Die Weiden“ sei hiermit also, für alle die das Vergnügen noch nicht hatten, sehr empfohlen.

Titel: Die Weiden
Autor: Algernon Blackwood
Verlag: Heinrich und Hahn Verlag
Umfang: 152 Seiten
ISBN: 9783865970442
Preis: 14,90 Euro
Inhalt:

Auf einer Kanutour, die den Ich-Erzähler und seinen schwedischen Freund von der Donauquelle in Donaueschingen bis zur Mündung ins schwarze Meer führen soll, erreichen die beiden schließlich hinter Preßburg die Schütt, eine befremdliche, gottverlassene Landschaft, die aus nichts als Wasser, Wind und Weiden zu bestehen scheint. Auf der Suche nach einem Rastplatz für die Nacht, biwakieren sie auf einer der zahllosen Sandbänke. Das Wasser steigt unaufhörlich, immer größere Teile der Insel brechen in den reißenden Fluss, der Wind peitsch die Weidenbüsche. Draußen auf dem Strom treibt etwas vorbei, ein Otter, möglicherweise ist es aber auch eine Leiche; in der Ferne stakt ein Bauer in seinem Kahn vorüber, der sich bei ihrem Anblick bekreuzigt, aber nicht näher kommt. Beides verstärkt noch das Gefühl des Verlassenseins und einer ungewissen Bedrohung. Die Szenerie zieht beide in ihren Bann und ruft so etwas wie Furcht hervor; nachts tauchen riesige, ungeheuerliche Gestalten auf, das Kanu schlägt leck, ein Paddel geht verloren, und am Ende haben beide das Gefühl, nur mit knapper Not etwas Entsetzlichen entronnen zu sein. Anlass für diese Erzählung war eine Kanufahrt, die Algernon Blackwood mit einem Freund auf der Donau unternahm und über die er 1901 einen längeren Beitrag schrieb für das englische Macmillan’s Magazine. Dieser Reisebericht erscheint hier zum ersten Mal in deutscher Übersetzung.

Zwei Titel, die ich durch sehr großen Zufall aufgestöbert habe, sind einmal als Dämonenland Heftroman und als Vampir Horror Heft erschienen. Über den lovecraftschen/cthuloiden Charakter beider kann ich nur spekulieren; der Vollständigkeit halber möchte ich sie hier aber aufführen. Beide Titel wurden in der L/C-Liste unter „AUF VERDACHT“ vermerkt.

Titel: Die Meer-Bestie (Dämonen-Land Nr. 48)
Autor: Logan Derek
Verlag: Bastei Verlag
Umfang: 65 Seiten (Heft)
ISBN/ISSN: Nicht vorhanden
Preis: 0,95 Euro

Titel: Der Götze vom anderen Stern (Vampir Horror-Roman Nr. 183)
Autor: Earl Warren
Verlag: Erich Papel Verlag
Umfang: 64 Seiten (Heft)
ISBN/ISSN: Nicht vorhanden
Preis: 0,60 Euro

INAHLTSQUELLE: Der jeweilige Verlag (siehe Verlinkung)

Merry Christmas, Mr. Lovecraft

On Christmas Eve we softly sink to rest
(H.P. Lovecraft: Old Christmas)

Lovecraft war ein Materialist durch und durch, das ist nichts neues. Er war naturwissenschaftlich gebildet und ein Atheist. Oft trifft man bei ihm eine zu seinen übrigen Ansichten entgegengesetzte Haltung an, die überraschend ist. Dazu zählt auch sein Verhältnis zu einem der wichtigsten Feste des Christentums: Weihnachten. Wie kann es sein, dass ein Mann wie Lovecraft das Weihnachtsfest sehr schätzte, es sogar, wie es bisweilen scheint, vielleicht sogar liebte?

Die Frage lässt sich vielleicht unter zwei Aspekten beantworten. Zum einen war Lovecraft ein der Tradition verpflichteter Mensch. Das führt zum zweiten Aspekt, dem Umgang mit der eigenen Vergangenheit. Beides vermischt sich hier. Weihnachten bedeutete für ihn wohl mehr als nur das Verteilen und Empfangen von Geschenken oder das Beisammensein mit Freunden, was er allerdings sehr mochte, wie man in einem Brief aus dem Dezember 1925 an Lillian Clark lesen kann, in dem er eine Weihnachtsfeier mit seinen Freunden in George W. Kirks Buchladen beschreibt. Es bedeutete für ihn auch das Bewahren einer für ihn sehr wichtigen Erinnerung, die an seine Kindheit, seinem Goldenen Zeitalter. Man kann es vielleicht mit einem Zitat aus Axel Hackes neuem Buch „Alle Jahre schon wieder“ auf den Punkt bringen: „Ich liebe diese Zeit, auch wenn sie noch so anstrengend sein mag. Weihnachten ist für mich das Fest der Sehnsucht nach der Kindheit: nach dem kindlichen Glauben, dass die Welt eigentlich schön ist und heil. Es ist der Versuch der Erwachsenen, sie wenigstens für einen Abend oder für zwei, drei Tage noch einmal schön und heil zu machen.“

Ohne Zweifel hätte Lovecraft, wenn auch unter gewissen  Vorbehalten, dem Kern dieser Aussage zugestimmt. So erinnert sich sein Freund W. Paul Cook in seinen Erinnerungen an Lovecraft (in: In Memoriam Howard Phillips Lovecraft, 1941) an den „Gefühlsausbruch“ („his outburst“) als sie gemeinsam am alten Anwesen der Familie Angell Street 454 vorbei gingen. Lovecraft, so Paul Cook weiter, träumte davon, eines Tages dieses Haus zurückzukaufen, ebenso wie die Bücher, die aus der Familienbibliothek wegen der angespannten finanziellen Situation veräußert werden mussten. Auch Sonia H. Davies berichtet in ihren Erinnerungen an Lovecraft (The Private Life of H. P. Lovecraft, 1948 bzw. vollständig erstmalig 1985), wie sehr er den Verkauf des alten Anwesens  beklagte. Er sei anfangs oft dorthin gegangen und habe sich auf die Stufen der Veranda gesetzt, denn „Das war sein Zuhause!“ („THAT was is home!“).
Lovecraft muss oft an die Zeit gedacht haben, denn er genoss hier alle Freiheiten, die ein phantasievoller und intelligenter Junge hätte haben können. Selbst trotz des im Hintergrund dräuenden Schattens der Erkrankung seines Vaters, konnte der junge Lovecraft alles tun und lassen, wonach ihm der Sinn stand und was seine Mutter zuließ. Sein geliebter Großvater Whipple Van Buren Phillips unterstützte die Grillen seines Enkelsohns, förderte seine Talente und gestattete ihm die Benutzung der Familienbibliothek. Der junge Lovecraft durchstreifte den Dachboden des Anwesens und entdeckte dort im Jahr 1902 das Buch „Geography of the Heavens“, ein Astronomiebuch seiner Großmutter, erschienen etwa Mitte des 19. Jahrhunderts. Dieses Buch, so wird er später sagen, hat seine lebenslange Faszination für die Astronomie mitbegründet und letztlich war es diese Faszination, durch die Lovecraft auch zu dem Schriftsteller geworden ist, den wir heute schätzen.

Es ist bekannt, wie sehr Lovecraft an der (virtuellen) Vergangenheit hing, insbesondere die des 18 Jahrhunderts, die er idealisierte. Wie nun auch verständlich ist, war seine persönliche Vergangenheit immer ein weiteres virtuelles Rückzugsgebiet, das er sich bewahren wollte. Man neigt besonders  in der Weihnachtszeit zu einer gewissen Nostalgie und auch Lovecraft war nicht frei davon. Er erzählte seiner Frau Sonia H. Davies von den Weihnachtsabenden in der Angell Street 454. Man versammelte sich zusammen mit den Dienstboten im Wohnzimmer und sang gemeinsam Weihnachtslieder. Danach übergab Whipple Phillips jedem von ihnen als Weihnachtsgeschenk einen Umschlag mit einem Scheck. Er wünschte jedem persönlich frohe Weihnachten. Für den jungen Lovecraft ein Paradies. Er hatte diese Familienfeiern geliebt („How happy I used to be at these family gatherings!“). Man kann es sich geradezu vorstellen, wie die Familie Phillips den Weihnachtsabend verbrachte. Der Großvater im Sessel, den Enkel bei sich. Er erzählt ihm eine Geschichte, draußen ist es kalt. Nebenan wird das Essen aufgetragen. Dann geht es zu Bett und Young Lovecraft denkt an seine Geschenke. Wer weiß das schon, aber mir persönlich gefällt die Vorstellung.

Wie Lovecraft nun seine Weihnachtsfeste verbracht hat, können wir kaum sagen. Ich kann nur auf drei Zeugnisse zurückgreifen. Es ist außerordentlich schwierig, an Informationen zu kommen, insbesondere an Informationen aus erster Hand. Die Editionslage der Briefe ist nicht zuletzt aufgrund ihrer Masse sehr schwierig. Zu den bekannten Ausgaben der Selected Letters des Arkham House Verlags, kommen die zahlreichen Zitatstellen aus verschiedenen Monografien, Essays und Erinnerungen. S. T. Joshis monumentale Biografie ist an erster Stelle zu nennen, dicht gefolgt von dem inhaltlich eher fragwürdigen Werk von Lyon Sprague de Camp. Beide haben in der John Hay Bibliothek der Brown Universität die Handschriften und Briefmanuskripte einsehen und studieren dürfen. Im Gegensatz zu Joshis Werk taugt de Camps Biografie vor allem als Lieferant für Zitate.

Ferner gibt es lohnende Ausgaben aus dem Verlag Hippocampus Press (Letters to Alfred Galpin; Letters to Rheinhart Kleiner), eine repräsentative Ausgabe der Briefe aus New York bei Nightshade Books, sowie die autobiografischen Briefe in der Sammlung „Lord of a Visible World“. Ferner gibt es eine Ausgabe des Briefwechsels mit Robert E. Howard und dessen mit August Derleth. Diese Bücher sind allerdings nur zu ziemlich absurden Preisen zu haben. Von der Sammlung der Selected Letters taucht gelegentlich ein exemplar auf und bisher kann ich hier nur auf Nummer I und III zurückgreifen. Diese Ausgaben, gemeint sind Selected Letters I -V, geben auch nur einen Querschnitt wieder, wie es alle mir bekannten Briefsammlungen Lovecrafts tun (können).

So berichtet Lovecraft in dem bereits erwähnten Brief an seine Tante Lillian Clark vom 26. Dezember 1925 aus New York, dass er und seine Freunde sich in George W. Kirks Chelsea Bookshop am 23.12.1925 abends getroffen haben. Die Mitglieder des KALEM Clubs hielten dort eine kleine private Weihnachtsfeier ab, bei der James F. Morton den Weihnachtsmann spielte und jedem ein kleines Geschenk aus einem 10 Cent Store zusammen mit einem kleinen Gedicht überreichte. Lovecraft bekam eine Schneekugel, die er in seinem Brief sogar gezeichnet hat. In der Kugel befand sich die Miniatur eines verfallenen Schlosses, das seine Dunsanianische Fantasie anregte. Das kleine Geschenk hat ihn sehr begeistert, denn er beschreibt es ausführlich und lobt Mortons Volltreffer. Ferner lobt er Kirks Kaffee, der unter den KALEMs geradezu legendär war.

Gegen 2 Uhr morgens endete das Treffen und Lovecraft arbeitete in dieser Nacht bis 3.30 Uhr. Man stelle sich eine kalte Nacht in Brooklyn vor, das Licht in der Clinton Street 169 ist noch an und Lovecraft schreibt noch etwas, sieht nach draußen und vielleicht fällt leichter Schnee, zumindest in der kleinen Kugel, deren Gebäude für ihn eher ein Überbleibsel des  alten Atlantis darstellt.

Am nächsten Tag, dem 24.12.1925 kam ein Paket seiner Frau Sonia an, darin enthalten einige Hemden und eine „exquisite“ Krawatte. Der Nachmittag des nächsten Tages gehörte einer kleinen Weihnachtsfeier unter Freunden im Hause Frank „Sonny“ Belknap Long, wo er auch Everett McNeil und Samuel Loveman traf. Es wurden Geschenke überreicht und die Festtafel war reich gedeckt. Nach dem Essen, zum Nachtisch wurde ganz traditionell Plum-Pudding und Minzkuchen aufgetragen, gab es noch einige Überraschungsgeschenke aus einer gewaltigen Socke, aus der sich jeder Gast neun Kleinigkeiten (nicht Ringe) nehmen durfte. Lovecraft „zog“ unter anderem Rasierseife, eine Nagelfeile und ein Maßband heraus, was ihn zu einem kleinen Witz veranlasste. Wäre er, so bereichtet er Tante Lillian, unterwegs verhaftet worden, so hätte die Polizei mit Sicherheit geglaubt, er habe ein Woolworth oder Kresge Warenhaus ausgeraubt.

Man traf sich noch einmal im Weihnachtszimmer und spielte ein kleines Spiel, dessen Preis eine Box mit Schokolade war. Es ging hier um das Erraten bekannter Werbung aus beliebten und populären Magazinen. 25 Werbeanzeigen wurden gezeigt und zu Lovecrafts nicht geringem Erstaunen, kannte er die meisten, obwohl er kein Leser solcher Magazine war. Eigentlich hatte er nicht an dem spiel teilnehmen wollen, wurde aber überzeugt und gewann. Großzügig wie immer bot Lovecraft der Gesellschaft von seiner gewonnenen Schokolade an, wurde aber von Mrs. Long davon überzeugt, seinen Preis für sich zu behalten, da eine große Schale mit Schokolade auf dem Tisch stand. Nach diesem kleinen Spiel ging die ganze Gesellschaft ins Kino. Es gab zwei Westernfilme, deren Titel Lovecraft leider nicht nennt.

Nach einem gemeinsamen Abendessen verabschiedete man sich gegen 23.30 Uhr. Lovecraft blieb in dieser Nacht noch bis um 4 Uhr morgens wach und naschte bei seiner Schreibtischarbeit von der exquisiten Schokolade.

Einem anderen Brief aus dem Dezember 1929 an James F. Morton entnehmen wir, dass Lovecraft, bereits wieder in Providence wohnend,  seine Tante Annie Gamwell zu einem traditionellen Weihnachtsessen nach Downtown Providence ausführte. Viel ist in diesem Brief leider nicht mehr zu erfahren, aber Neffe und Tante zeigten sich schockiert über die baulichen Veränderungen, die man an der Altstadt von Providence vornahm.

Der Literaturwissenschaftler R. Alain Everts zitiert in seinem Aufsatz „Der Tod eines Gentleman: die letzten Tage Howard Phillips Lovecrafts“ (In: „Der Einsiedler von Providence“, Suhrkamp 1992) aus einem Brief von Annie Gamwell an August Derleth aus dem Jahr 1937) wie sehr Lovecraft diese frohe Stimmung dieser Zeit geliebt hatte.Er habe es sich im Dezember 1936 trotz schwerer Krankheit nicht nehmen lassen, das Haus weihnachtlich zu schmücken, wie er es all die Jahre vorher gemacht habe. Auch Hazel Heald berichtet August Derleth 1937, dass Lovecraft ihr in allen Einzelheiten den Baum und den gesamten Weihnachtsschmuck im Hause beschrieben habe.

Sein besondere Wertschätzung für das Weihnachtsfest findet auch ihren literarischen Nachschlag. So ist sein längstes einzelnes Gedicht ein Weihnachtsgedicht, das im Dezember 1918 im Tryout erschien: „Old Christmas“, ein 332 Zeilen langes Gedicht im Stil des 17. Jahrhunderts, der Epoche von Königin Anne II. Lovecraft beschwört hier einen Weihnachtsabend in England in entsprechender Diktion der damaligen Zeit. Lovcraft gelingt es hier ein dichtes atmosphärische dichtes Bild zu zeichnen. Es vereinen sich hier die Motive der Sehnsucht auf zweierlei Weise. Zum einen wieder einmal die Sehnsucht nach einer (idealisierten) Vergangenheit, zum anderen das mit allen  Sinnen erlebbare Fest, welches er mit allen poetischen Mitteln zu beschreiben sucht, getreu seinem Diktum, eine unheimliche Geschichte habe Atmosphäre zu erzeugen und im Leser ein Gefühl zu erwecken. Nicht ohne Nostalgie gedenkt Lovecraft hier wohl auch seiner eigenen Vergangenheit in der Angell Street 454. (Es wäre schön, hier mittels eines Links das gesamte Gedicht zu präsentieren, damit man Lovecrafts gelungenes Gedicht auf sich wirken lassen könnte, denn nach Meinung einiger Kritiker ist es, bei aller leicht übertriebenen Treue zu alter Diktion und Versmaß, ein wirklich anspruchsvolles und sorgsam konstruiertes Gedicht. Doch leider existiert kein Link dazu, der Text ist meines Wissens nach nicht verfügbar. Falls jemand dennoch einen Link findet, möge er darauf hinweisen und sich meines Danks sicher fühlen.)

In späteren Jahren schrieb Lovecraft seinen Freunden und Verwandten immer wieder sehr persönliche kleine Weihnachtsgedichte. In der Sammlung „The Ancient Track – The Complete Poetical Works Of H. P. Lovecraft“ finden sich 112 verschiedene Weihnachtsgedichte an Freunde und Verwandte. Da es sich hier nur um die überlieferten Texte handelt, mag es sein, dass er wesentlich mehr geschrieben hat. Jedes kleine Gedicht, meist Vierzeiler in Paarreimen, ist sehr persönlich. Sie sind sehr herzlich, geradezu „herzenswarm“ wie S.T. Joshi sagt und oft mit einer Reminiszens an gemeinsame Erlebnisse oder Interessen. Es sind schöne, persönliche Gelegenheitsgedichte, um dem Empfänger eine Freude zu machen. Gewiss sind nicht alle dieser kleinen Gedichte von hohem literarischen Anspruch, aber sie zeigen wieder die Bedeutung, die das Weihnachtsfest auch in literarischer Sicht für Lovecraft hatte. Er nutzt die Gelegenheit eines Briefes oder einer Grußkarte, um ein kleines persönliches Geschenk in Form eines Gedichts zu überbringen.

Aus quasi auch berufbedingten Gründen möchte ich eins dieser kleinen Gedichte hier zitieren. Es ist an George Kirk adressiert, dem Besitzer des Chelsea Bookshops (s.o.).

Since Chelsea is old SANTA’S very home,
I trust he’ll call before he starts to roam,
And find in KIRK a worthy youth to crown
With all the fame that MOORE of old laid down!

Das vielleicht schönste Weihnachtsgedicht schrieb Lovecraft um 1920. Es erschien ebenfalls im Tryout. Es spricht ganz und gar für sich:

Christmas

The cottage hearth beams warm an bright,
The candles gaily glow;
The stars emit a kinder light
Above the drifted snow.

Down from the sky a magic steals
To glad the passing year,
And belfries shake with joyous peals
For Christmastide is here!

Zum Schluss möchte ich ein Zitat aus oben dem erwähnten Aufsatz von R. Alain Everts vorstellen, das Lovecrafts ganz eigenes Verhältnis zum Weihnachtsfest beschreibt. Es stammt von seiner Tante Annie Gamwell, der letzten lebenden Verwandten Lovecrafts und der letzten Überlebenden der Familie aus dem Jahr 1939. Es findet sich in dem erwähnten Suhrkampband auf Seite 187 und reicht als Schlussbemerkung aus.

„Howard liebte die Weihnachtsfestlichkeiten & er & ich waren zusammen so fröhlich & festlich gestimmt. Er wollte immer einen Baum haben & war ein echter Weihnachtsmann & kümmerte sich um den  ganzen Schmuck. Er sagte zu mir, ich solle schlafengehen & überraschte mich am Morgen mit der ganzen Schönheit des Baumes & den Geschenken. Jeden Abend saß er lange im Kerzenschein des Baumes & erzählte von den glücklichen Zeiten – bis schließlich der Baum weggeworfen werden musste.“

Frohe Weihnachten.

Mirko Stauch, für das Team von Cthulhus Ruf